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Story 053 – 1870 – Innovation Prozesse Produkte

Vom Handwerker zum Großbürger

Der soziale Aufstieg der Familie Wieland

Im Laufe seines Lebens gelingt Philipp Jakob Wieland eine beachtliche Karriere. Nicht nur als Unternehmer, sondern auch als Bürger. Gestartet als kleiner Handwerker, wird er zum geachteten, einflussreichen „Prinzipal“, der dieses Selbstverständnis aber erst im Alter nach außen hin präsentiert.

Um 1870 sitzen Philipp Jakob Wieland und seine zweite Ehefrau Mathilde einem heute unbekannten Porträtmaler Modell. Er bringt das Ehepaar in Öl auf die Leinwand, in zwei jeweils 76 mal 89 Zentimeter großen Gemälden. Die Bilder sprechen noch heute Bände. Erzählen sie doch ohne Worte viel von dem eindrucksvollen Lebensweg, den Philipp Jakob Wieland und seine Frau bis zum Zeitpunkt des Porträtierens zurückgelegt haben.

Zwar wird Philipp Jakob Wieland 1793 als Sohn eines nicht gerade ärmlichen Gaststätten- und Brauereibesitzers geboren. Der aber betreibt damals noch ein Handwerk, ebenso wie Philipp Jakob bei der Übernahme der Glockengießerei seines Onkels 1820. Dann aber beginnt – an der Person des Firmengründers exemplarisch für die gesamte Gesellschaft sichtbar – eine Zeit großer Umbrüche. In Deutschland etabliert sich eine neue Schicht, das Bürgertum, dessen Vorlieben für häusliche Behaglichkeit im Biedermeierstil Ausdruck findet.

Einige Jahrzehnte später prägen andere Protagonisten den gesellschaftlichen Wandel: Seit Mitte des 19. Jahrhunderts treiben technikaffine Erfinder die Industrialisierung voran, Firmen – und Personen – wie Siemens, Borsig oder Krupp machen Furore und definieren die Gründerzeit.

Philipp Jakob Wieland und seine junge, auch aus der Gastwirtsfamilie stammende Frau Mathilde, scheinen diese jahrzehntelange Entwicklung im Zeitraffer nachgeholt zu haben. Lange lebt Wieland in dem uralten, beengten Haus auf dem Gelände der ursprünglichen Glockengießerei. Sein Lebensstil wird als vergleichsweise sparsam beschrieben, so gibt es Gänsebraten und Straßburger Gänseleberpastete nur bei der Bewirtung von Gästen.

Dann aber, 1859, lässt er am Stadtrand von Ulm ein herrschaftliches Wohnhaus errichten, um dessen Ausstattung er sich selbst intensiv kümmert. Tapeten und Vorhangstoffe bringt er von seinen Reisen mit, in Dresden lässt er Bilder kopieren und in Florenz klassizistische Marmorstatuen für den Eingangsbereich anfertigen.

Auf den Porträts trägt er teuren Pelz, seine Frau wertvollen Schmuck. Und nicht zuletzt die Goldrahmung soll zeigen: Hier sind zwei, die es geschafft haben! Die Bilder wurden übrigens 2007 im Deutschen Historischen Museum in Berlin im Rahmen einer Ausstellung zur Gründerzeit ausgestellt. Heute hängen sie – fachmännisch restauriert – im Sitzungszimmer des Wieland-Vorstandes in Ulm.

Philipp Jakob Wielands Villa

Philipp Jakob Wielands Villa in Ulm. Sie wurde 1944 völlig zerstört, lediglich einige der Marmorstatuen blieben verschont und zieren bis heute den Vorgarten eines Nachbarhauses.

Philipp Jakob Wielands Villa

1878 gibt Ulm in einer frühen Form des Stadtmarketings die Broschüre „Erinnerungen an Ulm“ heraus. Zu den abgebildeten Sehenswürdigkeiten gehört auch „PH. J. WIELAND’s VILLA“.
(Copyright Stadtarchiv Ulm: F3/1 Ulmer Ansichten/0611/1 - Ausschnitt aus dem Sammelblatt "Ulm von Südwesten und 16 Einzelansichten")