„Fake News“ anno dazumal
Nicht jedes Bild erzählt eine wahre Geschichte
Fotos zu manipulieren und aufzuhübschen ist keine Erfindung des Instagram-Zeitalters. Lange vor Photoshop schafft ein findiger Lichtbildner eine fotografische Idylle, die ganz zeittypisch einer idealisierten Wunschvorstellung entspricht – aber eben zweifelsfrei „gefaked“ ist.
Es ist eine Aufnahme, die in vielen Abhandlungen über die Geschichte von Wieland oder das Leben Philipp Jakob Wielands auftaucht. Selbst im Foyer der Hauptverwaltung in Ulm ist die Fotografie in imposanter Größe zu sehen: Da sitzt der Firmengründer auf einer schlichten Holzkiste im Hof seines Betriebes, mittig im Bild und umgeben von seinen Mitarbeitern, von Herren im feinen Anzug ebenso wie von schlichten Arbeitern inklusive eines jungen Lehrbuben.
Wie zufällig hingeworfen und aufgestellt sehen wir verschiedene Produkte des Hauses, Hähne, Wasserleitungen, Kessel – aber erstaunlicherweise auch Skulpturen mit antiker Anmutung. Die wichtigste Besonderheit des Fotos wird allerdings erst bei genauem Hinsehen offenbar: Der ebenso tatkräftig wie gütig wirkende Patriarch in der Bildmitte ist viel zu groß. Obwohl sitzend, überragt er seine neben ihm stehenden Mitarbeiter.
Des Rätsels Lösung offenbart ein unscheinbarer Karton im Ulmer Unternehmensarchiv von Wieland: Findet sich darin doch eine Fotografie der gleichen Szenerie – allerdings ohne Philipp Jakob Wieland! Dieser ist erst auf einer anderen Aufnahme mit von der Partie und wurde offensichtlich nachträglich in das Bild retuschiert.
Unklar bleibt, wann Original und das „Fake-Bild“ entstanden sind. Es gibt Hinweise darauf, dass die Version mit dem Firmengründer 1937 das Licht des Fotolabors erblickte, damals war ein großes Wieland-Buch in Planung. Sicher ist aber, dass das Einsetzen des Chefs mit großem Aufwand und handwerklichem Geschick erfolgt sein muss. Digitale Methoden der raffinierten Bildbearbeitung sind damals noch nicht einmal denkbar.
Dass bei der mühsamen Handarbeit Philipp Jakob Wieland etwas zu groß gerät, mag durchaus beabsichtigt sein. Ist es doch der offensichtliche Zweck dieser „Fake News“, den Gründer als herausragende Persönlichkeit inmitten zufriedener Beschäftigter zu zeigen. Ein Bild, das in seiner Aussage ja durchaus zutreffen mag – nur eben niemals im Bild festgehalten wurde.