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Historie und Verantwortung – Die Wieland-Werke 1933–45

Die Kriegsjahre des Zweiten Weltkriegs waren auch für die Wieland-Werke AG eine schwierige Zeit, für die das Unternehmen historisch um seine Verantwortung weiß. Als Hersteller von NE-Halbzeugen erfuhr Wieland von Seiten der Behörden eine Vorzugsbehandlung, musste sich aber dennoch unermüdlich für den Fortbestand und Schutz des Unternehmens und dessen Mitarbeiter einsetzen.

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Story 095 – 1933 – Menschen

Eine schwierige Gratwanderung

Unternehmensführung in Zeiten der NS-Herrschaft

Karl Eychmüller bekleidet hohe Ämter in NS-Wirtschaftsverbänden, ist NSDAP-Mitglied und „Wehrwirtschaftsführer“. Dennoch sind er und sein Vorstandskollege Dr. Hans Wieland keine überzeugten Nationalsozialisten. Die Verantwortung für das Unternehmen zwingt sie zu schmerzhaften Kompromissen.

Am 30. Januar 1933 übernehmen die Nationalsozialisten die Regierung in Deutschland, Adolf Hitler wird Reichskanzler. Drei Monate später, am 1. Mai 1933, tritt Wieland-Vorstand Karl Eychmüller in die NSDAP ein. Dies aber nicht aus innerer Überzeugung, sondern aus Pragmatismus. Er selbst sagt nach 1945, er sei in „die Partei“ eingetreten, weil „die Tradition der Wieland-Werke ohne meinen Beitritt gefährdet war.“ Tatsächlich gelten Mitglieder der Familie Wieland im NS-Staat als politisch unzuverlässige Liberale, was ihre Position und die ihrer Firma angreifbar macht. Vorstandsmitglied Dr. Hans Wieland tritt „der Partei“ 1938 bei.

Respekt nötigt der Mut ab, den Karl Eychmüller und Dr. Hans Wieland in jener Zeit durchaus beweisen. Jüdische Mitarbeiter beschäftigt man so lange wie möglich, die Belegschaft wird nach Möglichkeit vor Übergriffen des NS-Regimes und Denunziationen geschützt, Fremdarbeiter versucht man anständig zu behandeln. Bei Kriegsende 1945 bewahrt Karl Eychmüller Ulm vor weiteren sinnlosen Zerstörungen, indem er eine geordnete Übergabe an die Amerikaner organisiert. Ein mutiges Unterfangen, das ihm bis heute den Respekt vieler Ulmer Bürger einbringt.

Nach Kriegsende 1945 werden die Wieland-Vorstände Karl Eychmüller und Dr. Hans Wieland wegen ihrer NSDAP-Mitgliedschaft einem Entnazifizierungsverfahren unterzogen. In beiden Fällen kommt die Spruchkammer Ulm zu dem Ergebnis, dass es sich um keine überzeugten Nationalsozialisten handele und stuft sie als "Mitläufer" ein.

Dessen ungeachtet spielt das große Engagement der beiden für das Unternehmen dem NS-Regime in die Hände: Es ist dringend auf Schlüsseltechnologien und kriegswichtige Produkte angewiesen. Und andererseits profitiert Wieland durch die Rüstungsaufträge wirtschaftlich enorm. Dass sich ihre unternehmerische Tätigkeit im Rahmen eines verbrecherischen Systems abspielt, kann den beiden Vorständen nicht verborgen bleiben. Sie arrangieren sich mit den Umständen und legen ihre persönlichen Prioritäten auf das Wohl des Unternehmens und das Bemühen, dabei ihren eigenen hohen ethischen Ansprüchen so gut es geht treu zu bleiben. Mit dieser Haltung sind sie nicht allein, zahlreiche andere Unternehmen in Deutschland versuchen, wirtschaftlich erfolgreich durch die NS-Zeit zu kommen, ohne sich mit dessen Ideologie und Verbrechen zu identifizieren.

Begrüßung auf Werksgelände

1939 empfängt Karl Eychmüller NS-Größen zum Werksbesuch. Es ist die einzige – und angeordnete – Gelegenheit, zu der er die Uniform eines „SA-Reitersturmführers“ trägt.

Prozesszeugnis

Die Spruchkammer hört 12 Zeugen, dann stuft sie Karl Eychmüller 1948 als bloßen „Mitläufer“ ein. Auch, weil ihn „die öffentliche Meinung nicht als Nazi angesehen hat.“
(Copyright Staatsarchiv Ludwigsburg: EL 902/21 Bü 980)