Ein Buch, das Bände spricht
Ein prächtiger Katalog wird 1945 schwer beschädigt
Im Wieland-Archiv wird ein voluminöses Katalogbuch aus dem späten 19. Jahrhundert aufbewahrt. Es erzählt ohne Worte eine dramatische Geschichte – davon, wie aufwändig das Buch einst produziert wurde, von der Zerstörung im 2. Weltkrieg und davon, dass Wieland nach 1945 den Neuanfang schaffte.
Zunächst fällt an dem großformatigen Band (60 cm lang, 44 cm breit und 7 cm hoch) vor allem das enorme Gewicht von acht Kilogramm auf. Der Buchdeckel ist leider stark beschädigt, die geprägte Titelbeschriftung kann nicht entziffert werden.
Nur mit größter Vorsicht sollte man den gewichtigen Band aufschlagen, die dicken Seiten wirken zerbrechlich, teilweise beginnen sie schon, sich aus dem Einband zu lösen. Und sie zeigen deutliche Brand- und Wasserspuren. Hat man die ersten, völlig verkohlten und unleserlichen Seiten überblättert, wird offenbar, um was es sich hier handelt: um einen prächtig ausgestatteten Katalog, der eine Vielzahl von Wieland-Produkten in aufwändigen Farblithographien präsentiert. Ohne Text, und jeweils gegenüber einer tiefblau eingefärbten Zwischenseite. Stößel und Schalen sind zu sehen, Hahnen, Kerzenhalter, Kandelaber und Schüsseln. Manche Seiten sind jedoch so stark beschädigt, dass nichts mehr zu erkennen ist.
Die Produkte lassen darauf schließen, dass das Buch vor dem Jahr 1900 hergestellt wurde. Das riesige Format und die aufwändigen Bilder legen nahe, dass das Werk kein Massenwerbemittel war. Vielleicht ein bewusst prestigeträchtiges Kunstwerk, das besonderen Kunden die Leistungsfähigkeit von Wieland vermitteln sollte? Eine Premium-Imagebroschüre, wie man heute sagen würde.
Ein maschinenschriftliches Beiblatt enthält den Hinweis, das Buch sei im 2. Weltkrieg durch Feuer und Löschwasser beschädigt worden. Vermutlich bei dem großen Bombenangriff, den 750 alliierte Flugzeuge am 1. März 1945 auf Ulm flogen. In weniger als einer Stunde waren dabei nicht nur weite Teile Ulms, sondern auch 80 % des Ulmer Werkes der Wieland Werke AG zerstört worden.
Wer danach die Aufmerksamkeit und das Interesse hatte, den arg lädierten Katalog aus den Trümmern zu bergen, ist nicht bekannt. Sicher ist aber wohl, dass diese Person schon damals das gleiche Gefühl hatte, das den heutigen Betrachter ergreift: Glanz und Gloria, Zerstörung und Vernichtung treffen in diesem Artefakt unmittelbar aufeinander. Und gleichzeitig vermitteln die Rettung und Aufbewahrung des Werkes jene Hoffnung und Tatkraft, die Wieland nach 1945 aus den Trümmern des Weltkrieges wieder auferstehen ließ.