Story-Headerimage
3 min Lesedauer
Story 008 – 1840 – Menschen Innovation Megatrends

Arbeitsordnungen – Regeln als Spiegel der Zeit

Von der Strafordnung 1840 zur Arbeitsordnung 2017

Vom ersten Entwurf Philipp Jakob Wielands bis zur aktuellen Version sind alle Wieland-Arbeitsordnungen der letzten 180 Jahre erhalten. Sie erlauben einen faszinierenden Einblick in den jeweils gültigen Wertekanon – und in den Arbeitsalltag der Menschen.

Der erste Entwurf einer Arbeitsordnung findet sich, aus der Feder Philipp Jakob Wielands höchstselbst, in einem Notizbuch aus dem Jahr 1840. Und zwar unter dem Titel „Strafandrohung gegen Unpünktlichkeit und andere Fahrlässigkeiten der Arbeiter“, was viel über die damalige Autoritätsgläubigkeit aussagt. Nichts sagt der Entwurf allerdings über die konkreten Strafen aus, Pünktchen offenbaren, dass sich Wieland hierüber wohl noch Gedanken machen will. Sicher ist, dass an Geldstrafen gedacht ist – sie sollen der Arbeiterkrankenkasse zugutekommen! Die 12 Punkte reichen vom Zuspätkommen bis zur Sach- und Materialbeschädigung.

Bereits 14 Punkte umfasst die „Fabrik-Ordnung“, die der Gründer im November 1862 niederschreiben lässt. Befremdliche Einblicke gewährt gleich Punkt 1: Die Arbeitszeit für sämtliche Arbeiter wird festgesetzt „im Sommer von morgens 5 – 7 Uhr, von ½ 8 – 12 Uhr, von 1 – 6 Uhr, im Winter von morgens 6 – 7 Uhr, von ½ 8 bis 12 Uhr und 1 – 7 Uhr“, also 11,5 Stunden täglich!

Mit einer neuen, nun gedruckten Fabrikordnung aus dem Jahr 1892 ändert sich an den Arbeitszeiten wenig, heißt es doch gleich in §2: „Die wöchentliche Arbeitszeit für die Tagschichten beträgt 61,5 Stunden“, ferner habe zur festgesetzten Stunde „Jedermann an seinem Platze zu sein und die Arbeit pünktlich zu beginnen.“ Zuspätkommenden wird die versäumte Zeit vom Lohn abgezogen, außerdem unterliegen sie „einer Strafe von gleichem Betrage.“

Einen deutlichen Fortschritt offenbart die „Arbeits-Ordnung“ von 1929: Sie enthält Schutzvorschriften für Wöchnerinnen – ein Indiz für den steigenden Frauenanteil – und keinen Strafenkatalog mehr. Interessanterweise ist der Abschnitt 9 über die Arbeitszeit mit einem maschinenschriftlichen Passus überklebt, in dem es heißt: „Die regelmäßige Arbeitszeit ist bestimmt durch das Kollektivabkommen für die Metallindustrie Württembergs.“

Einen eindeutigen Rückschritt zeigt die „Betriebsordnung“ aus dem Jahr 1938. Ganz im Duktus des NS-Regimes ist vom „Führer des Betriebes“, von „Gefolgschaft“, von „Betriebsgemeinschaft“, von „Treue“ und „Ehre“ die Rede. Unter anderem stellt „nationale Unzuverlässigkeit“ einen fristlosen Kündigungsgrund dar.

Welch ein Unterschied zur aktuellen, 2017 eingeführten Arbeitsordnung. Sie dient der „gerechten Behandlung aller Mitarbeiter, dem Arbeitsfrieden und einer reibungslosen Zusammenarbeit … auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens.“

Auszug Fabrikordnung 1892

In der Fabrikordnung von 1892 wird gleich in §2 „Die wöchentliche Arbeitszeit für die Tagschichten“ auf 61,5 Stunden festgelegt. Unpünktlichkeit wird mit Strafe und Lohnkürzung geahndet.

Auszug Entwurf Strafordnung 1840

Nomen est Omen: Der Entwurf einer „Strafordnung” von 1840 regelt kein gedeihliches Miteinander, sondern befasst sich zeittypisch ausschließlich mit Sanktionen.

Auszug Zeugnis Betriebsordnung 1938

Zeugnis der Gleichschaltung: Auch Wieland kann nicht umhin, seine Betriebsordnung von 1938 den nationalsozialistischen Vorgaben anzupassen.

aktuelle Arbeitsordnung

Ausdruck des Miteinanders: Die aktuelle Arbeitsordnung ist getragen vom Geist eines gleichberechtigten, fairen, diskriminierungsfreien und respektvollen Umgangs aller Wieland-Beschäftigten.