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Story 194 – 1956 – Menschen

Villingen: Werksgeschichte einmal ganz anders

Die Metallwerke loben 1956 einen „historischen“ Preis aus

Sechs Mitarbeiter der Metallwerke Schwarzwald in Villingen nehmen 1956 an einem Preisausschreiben teil: Sie schildern die jüngere Geschichte des Werkes – detailreich, umfassend und mit viel Herzblut. Sieger wird eine sehr persönliche, auch emotionale Geschichte.

Wer die Idee hatte, und mit welcher Zielsetzung, lässt sich heute nicht mehr ermitteln. Jedenfalls wird am 28. April 1956 in den Metallwerken Schwarzwald in Villingen ein ungewöhnlicher Aufruf der Geschäftsleitung per Aushang zur Kenntnis gebracht: Wer in der Lage sei, „eine Geschichte des Werdegangs unseres Werkes für den Zeitraum von anfangs Mai 1938 bis zum heutigen Tage zu schreiben“, solle seinen Bericht bis zum 20. Mai „beim Sekretariat in verschlossenem Umschlag“ abgeben.

Um die Belegschaft zur Mitarbeit zu motivieren, werden für die besten sechs Berichte Preise ausgesetzt, entweder „in bar“ oder in Form von Sonderurlaub. Die Höhe der Preise wird „je nach Brauchbarkeit von der Direktion festgesetzt“.

Immerhin gehen bis zum Stichtag genau sechs historische Schilderungen ein, von durchaus unterschiedlicher Qualität und Quantität. Zwei Berichte sind sogar handschriftlich verfasst, manche sind fast prosaische Erzählungen, andere eher knapp gefasste tabellarische Aufstellungen. Allen gemeinsam ist, dass sie stark technisch orientiert sind und vor allem die ständigen Erweiterungen und Verbesserungen thematisieren. Kein Wunder, ist doch der geforderte Berichtszeitraum zunächst von den Besonderheiten der Kriegsproduktion, nach 1945 dann vom Wiederaufbau und Wirtschaftswunder geprägt.

Imponierend ist der Detailreichtum der meisten Berichte. So fehlt in einem der „Umbau der Abortanlagen“ ebenso wenig wie die „Erstellung der Hofüberdachung“. Dagegen geben gerade die handschriftlichen Aufzeichnungen ganz persönliche Einblicke in das Denken ihrer Verfasser: „1939 - Jahr des Schicksals! Ein guter Teil dieses Jahres galt noch dem Frieden und war doch voller Spannung, dann kam eine Episode, welche als Tragödie zu Ende ging.“ Oder: „Heute stehen wir vor einem Werke, auf das wir stolz sein können und dürfen.“ Es ist der Autor dieser Zeilen, ein Gießerei-Vorarbeiter, der am 26. Mai 1956 per Brief zum Sieger des Wettbewerbs erklärt und mit 60 D-Mark belohnt wird. Die weiteren Gewinner werden mit 50, 30, 20 und 10 D-Mark bedacht, die den Schreiben in bar beiliegen.

Zu größerer Verbreitung gelangen die Texte offenbar nicht. Vielleicht lag der Sinn des Wettbewerbs auch nur darin, das Zugehörigkeitsgefühl der Belegschaft zu stärken. Für wertvoll werden sie dennoch befunden – und bis heute im Firmenarchiv verwahrt.

Preisausschreiben 1956

Ungewöhnliche Idee: 1956 lädt dieser Aushang in den Villinger Metallwerken Schwarzwald zur Teilnahme an einem „Preisausschreiben“ ein. Die Bearbeitungszeit beträgt gerade einmal drei Wochen.

Auszug Siegertext

Siegertext: Die handschriftliche Form und zahlreiche nachträglich eingefügte Ergänzungen haben keinen Einfluss auf die Jury, die den Verfasser des Beitrages zum Gewinner erklärt.