Story-Headerimage
3 min Lesedauer
Story 119 – 1793 – Menschen

„Prinzipal“, Visionär und engagierter Bürger

Philipp Jakob Wieland – eine facettenreiche Persönlichkeit

Der Firmengründer erlebt nicht nur den Übergang von der „guten alten Zeit“ in das Industriezeitalter – er gestaltet ihn aktiv und visionär mit. In seiner Person verbinden sich auf faszinierende Weise traditionelle Wertvorstellungen mit dem Mut und der Fähigkeit, unternehmerisch neue Wege zu gehen.

Als Philipp Jakob Wieland am 3. November 1793 in Ulm das Licht der Welt erblickt, ist die Französische Revolution noch in vollem Gange, Goethe auf dem Zenit seines Schaffens und Ulm noch eine Freie Reichsstadt. Die Ulmer Handwerksbetriebe – darunter viele Kunsthandwerker – sind in Zünften organisiert, ebenso wie die zahlreichen Brauereien. Eine davon betreiben Philipp Jakobs Eltern, durch Zukäufe bauen sie das Geschäft später zur Großbrauerei aus.

Man darf deshalb annehmen, dass Philipp Jakob Wieland im Elternhaus nicht nur zünftische Werte wie Ehrlichkeit, Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein vermittelt bekommt, sondern auch das unternehmerische, weit über den Tellerrand des traditionsreichen Handwerksbetriebes hinausreichende Denken – und Handeln. Deutlich wird dies etwa an seiner Wanderschaft als Glockengießergeselle, die ihn durch halb Europa führt. Oder an den vielen Reisen zu wichtigen Ausstellungen und Messen, die dem Kennenlernen neuer Technologien dienen.

Beeindruckend ist, wie schnell und konsequent Philipp Jakob Wieland seine vom Onkel übernommene Glockengießerei in einen frühindustriellen Betrieb für Messingbleche und -drähte wandelt – eine Novität im Königreich Württemberg. Dass sich der Unternehmer intensiv in diversen Gremien wie dem Gewerbeverein, dem Gemeinderat sowie in Initiativen zum Eisenbahnbau und der Dampfschifffahrt engagiert, entspricht seinem Selbstverständnis.

Ebenso die Selbstverständlichkeit, mit der er sich als „Prinzipal“ bezeichnen lässt. Dennoch ist er ein liberaler, humanistisch geprägter Mann, der die Gesamtausgaben von Goethe, Herder und Schiller ebenso besitzt, wie die Gedichte des vormaligen Staatsfeindes Daniel Schubart. Mehr noch, er greift selbst zur Feder und verfasst unter dem Titel „Meine poetischen Versuche“ zahlreiche Gedichte.

Seine Lebensführung ist gehoben-bürgerlich, aber nicht protzig, jahrzehntelang bewohnt die Familie das alte, beengte Haus in der Rosengasse. Einen gewissen Luxus gönnt sich „P.J.W.“ allenfalls mit seinen erlesenen Reit- und Kutschpferden – und in hohem Alter mit dem Bau seiner Villa.

Wirtschaftspolitisch hat der „Prinzipal“ klare Vorstellungen: Almosen für Arme lehnt er ebenso ab wie das untätige Leben der Vermögenden von ihren Zinsen. In seinem Testament verewigt er deshalb sein Credo: „Nur der rege Eifer der Betriebsamkeit verscheucht die Armuth, das Almosengeben vermehrt sie.“

Mehr erfahren über
Geschichte der Wieland Werke

Büste P. J. Wieland

Aus weißem Marmor lässt „P.J.W.“ 1853 diese Büste in Florenz anfertigen, wohin er seinen Sohn mit einer Daguerreotypie (Fotografie-Verfahren des 19. Jahrhunderts) schickt. Sie gefällt ihm aber nicht und verschwindet daher bald in einer Kiste.

Wieland retuschiert in Gruppe von Mitarbeitern

Der „Prinzipal“, als sorgender und respektierter Mittelpunkt des Betriebes: Das Foto ist zwar eine idealisierende Montage, entspricht aber dem Selbstverständnis Philipp Jakob Wielands.